Donnerstag, 3. Januar 2013

Neues Jahr. Alte Vorsätze.

 
 

Fernsehkritik: Richtig fett abnehmen -  Ein Promi auf Hungerkur (ZDF)


Neues Jahr. Alte Vorsätze. Und weil die Welt nicht untergegangen ist, haben wir auch 2012 an den Feiertagen wieder ordentlich zugeschlagen. Ein paar Kilo weniger? Bittesehr.
In Zeiten der personalisierten Werbung kann man sich kaum noch verstecken vor den mannigfachen Marketingmaschen von einigermaßen seriös bis äußerst dubios. Diese Anzeige
in Facebook zum Beispiel verspricht mir in gebrochenem Deutsch, ganze 15 Kilo in 2 Wochenzu verlieren. Geht das überhaupt? Kotz Dich schlank wäre vermutlich die einzig adäquate Methode, dieses Wunder
zu vollbringen. Wenn überhaupt, Zum Kotzen finde ich allerdings auch das, was uns der ZDF info-Kanal unter dem Deckmäntelchen der Seriösität zum Jahresbeginn serviert: Eine
mehrteilige BBC-Reportage mit dem Titel "Richtig fett abnehmen". Man nehme: Eine hierzulande komplett unbekannte und in ihrer Heimat womöglich zu Recht vergessene Ex-Girlband-Sängerin, die als Mutter, Ehefrau und Thirtysomething nach dem Karriereknick ca. Größe 40-42 trägt. Sie scheint dabei ziemlich hübsch, talentiert und sympathisch zu sein. Wenn, ja wenn sie nicht wie so viele Frauen um nichts anderes kreisen würde als um den Umfang ihres Bauchs und ihrer Oberschenkel. Zwar war sie zwischendurch auch mal eine Zeitlang richtig übergewichtig, aber inzwischen sieht sie einfach ziemlich normal und wohlgenährt aus. Trotzdem lässt man ihr Raum und Zeit, mehrere Folgen lang über ihr Gewicht zu schwadronieren und darüber, wie fett sie ist. Und wenn sie dann gerade mal einen lichten Moment hat und dieses System in Frage stellt, dann sagen es andere oder es wird darüber berichtet, wie die britische Presse über das Pummelchen lästert und wie ein Schönheitschirurg sie zurechtschnippeln würde. Gut möglich natürlich, dass es sonst nichts zu berichten gibt über diese Claire Richards, wenn sie nichts Besseres zu tun hat als sich selbst auf ihren Körper zu reduzieren. Ihr etwas pummeliger, aber nicht minder sympathischer Ehemann ist da nicht das Problem. Männer haben ja in der Regel gern was zum Anfassen, aber das fernsehtaugliche Fleisch muss knusprig sein, damit es in die marketingtauglichen Magermodelklamotten passt. Die Doppelmoral von der Geschicht: Kaum eine Frau fühlt sich wirklich wohl in ihrer Haut.

Übergewicht, wirkliches Übergewicht, kann zu gesundheitlichen Problemen führen und macht auch sonst nicht halb so viel Spaß, wenn gesellschaftliche Diskriminierung zu den Selbstzweifeln hinzukommt und man eigentlich gar nicht so viel essen kann, wie man darüber gefrustet ist. Insofern ist Doku-Träller-Claire eine von uns. Ich fall ihr da jetzt nicht in den Rücken, weil ich ihr ihre Nöte durchaus glaube. Es ist
nun mal nicht allein eine Frage der Kleidergröße, wenn frau sich fett fühlt. Es ist ein Gefühl, das jede kennt. Übel nehme ich dem BBC - und dem ZDF als "Zweitverwerter" dieser dünnen Doku-Diät-Suppe - die Unreflektiertheit, mit der uns hier eine relativ normalgewichtige Frau als übermäßig fett verkauft werden soll. Da helfen auch ein paar kritische Untertöne nicht, am Ende bleibt ein ganz übler Nachgeschmack. Das finden womöglich manche junge Mädchen und Frauen wieder richtig zum Kotzen, und andere wiederum möchten sich kalorienreiche Snacks reinhauen, weil wenn Clärchen schon ein hoffnungsloser Fall ist, dann sind wir es ja schon lange. Und am Ende haben wir es ja ohnehin schon vorher gewusst: Das Geheimrezept fürs "Richtig fett abnehmen" hat auch diese Doku nicht zu bieten. Stattdessen gibt es Aufgewärmtes aus der Fernsehkantine von Vorgestern. Mit dem Zweiten sieht man: Am Besten nicht Neues. In diesem Sinne: Getrost abschalten.

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